Fachartikel – Überlebenswichtige Investition

Selten gewähren Autobauer Einsicht in ihre Sicherheitsvorkehrungen. PROTECTOR hat es im Zusammenspiel mit dem VdS geschafft, die Brandschutzverantwortlichen im VW-Konzern zu einem ausführlichen Interview zu bewegen. Wir sprachen mit Joachim Hardt, Teamleiter Facility Management – Gebäudemechanik bei VW, und Dieter Maske, Labor-Ingenieur für RWA bei VdS über die Bedeutung des Brandschutzes in Industrieanlagen allgemein und bei VW insbesondere.

PROTECTOR: Herr Hardt, Herr Maske, warum ist Brandschutz für die Industrie ein so wichtiges Thema?

Joachim Hardt: „Brände, die nicht sofort effektiv bekämpft werden, sei es durch Technik oder gut geschulte Mitarbeiter, entfachen sehr schnell eine enorme Zerstörungskraft. Werden Brände in Industrieanlagen nicht schnellstens eingedämmt, zerstören sie fast immer die Technik vor Ort und bewirken so einen Produktionsausfall. Meist können dann Lieferversprechen nicht mehr eingehalten werden. Das führt schnell zur Abwanderung von Kunden. Und vor allem: Brände gefährden Menschenleben.

Dieter Maske: Es brennt sehr viel öfter, als man denkt. Laut unseren Partnern vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) gab es im Jahr 2009 50.000 Fälle von Feuerschäden im gewerblichen Bereich. Die Gesamtkosten lagen fast bei einer halben Milliarde Euro. Und gefährdet sind keinesfalls nur Anlagen der chemischen Industrie oder der Holzverarbeitung – ein ganz typischer Auslöser sind Defekte in der Elektrik, vom Computer bis zur Fertigungsmaschine. Investitionen in den Brandschutz sind also nicht nur eine wichtige, sondern für viele Betriebe ganz sicher eine überlebenswichtige Investition.

PROTECTOR: Herr Hardt, was sind Ihre Aufgaben in der Volkswagen Service Factory?

Hardt: In der Volkswagen Service Factory bin ich beim Facility Management für die Gebäudemechanik verantwortlich und hier unter anderem für den Bereich RWA für die Planung, Prüfung und Wartung sowie die Instandsetzung der Entrauchungstechnik. Kern all unserer Aufgaben und entscheidend ist für uns in der Service Factory auch immer, bei allen Mitarbeitern, vom Lagerarbeiter bis zum Geschäftsführer, ein Bewusstsein für existierende Gefahren und die Techniken zu ihrer Vermeidung zu schaffen.

Maske: Gerade bei dieser wichtigen Aufgabe unterstützen wir Sicherheitsverantwortliche gerne mit Informationen, Studien und Praxiserfahrungen zu allen aktuellen Gefährdungslagen. Durch unsere eigenen Laboratorien und durch die Mitgliedschaft von VdS in allen relevanten nationalen wie internationalen normensetzenden Gremien sind wir immer auf dem aktuellen Stand der Brandschutztechnik. Natürlich unterstützen wir mit diesem Wissen unsere Kunden.

PROTECTOR: Und Herr Maske, was sind Ihre zentralen Aufgaben bei VdS?

Maske: Bei Europas Nummer Eins für Zertifizierungen von Sicherheitstechnik bin ich zuständig für Prüfaufträge sowie Zertifizierungstätigkeiten nach europäischen Normen und VdS-Richtlinien im Bereich Rauchfreihaltung. Das sind im wesentlichen Aufgaben im Rahmen unseres Status als DIBT-notifizierte Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstelle nach dem Bauproduktengesetz. Weiter bin ich natürlich auch zuständig für den Informationsaustausch mit Kunden und Fachkreisen.

Zusätzlich gibt es als Dienstleister für Volkswagen noch unsere Kollegen von der Technischen Prüfstelle, Europas größter Sachverständigen-Organisation für Brandschutz. Diese überprüfen in Deutschland alle Brandschutzanlagen des Volkswagen-Konzerns und unterstützen auch Projekte im Rahmen der Planungsphase. Mit Volkswagen gibt es zusätzlich zum Beispiel einen turnusmäßigen Workshop mit den Sicherheitsexperten des Unternehmens, unseren Leuten und Vertretern von Versicherungen. Das stellt einen kontinuierlichen Erfahrungsaustausch über alle neuen Problemlösungen sicher.

PROTECTOR: Volkswagen ist schon aufgrund seiner Größe und Internationalität ein Benchmark für Sicherheit – können Sie uns hier ein paar Fakten nennen?

Hardt: In Wolfsburg steht das größte Automobilwerk der Welt, mit einer Fertigungskapazität von aktuell mehr als 3.400 Fahrzeugen am Tag. Unser Werksgelände umfasst eine Fläche von rund 6,5 Quadratkilometern, davon sind etwa 1,6 Quadratkilometer überdacht. Hier ließe sich das Fürstentum Monaco unterbringen. Unser internes Straßennetz ist 75 Kilometer lang, das Schienennetz 70 Kilometer. All das stellt schon allein logistisch enorme Anforderungen an den Brandschutz, denen wir gerecht werden müssen. Hinzu kommt, dass rund 50.000 Mitarbeiter direkt auf dem Gelände arbeiten. Wir vom Volkswagen-Brandschutz sind für die Sicherheit all dieser Menschen – quasi für eine gesamte Stadt – verantwortlich. Daraus resultiert, dass der Steuerungsaufwand sehr hoch ist. Entsprechend all diesen Dimensionen sind auch die Aufgaben des VW-Brandschutzes sehr umfassend. Die Bauten hier sind in der Regel zweigeschossig und haben meist die Ausmaße eines Aida-Dampfers. Das macht 557 NRA-Anlagen mit 6.562 Geräten alleine für den Standort Wolfsburg, allesamt VdS-zertifizierte Anlagen von VdS-zertifizierten Errichtern. Die funktionieren sicher. Gebündelte Systeme und automatisierte Abläufe sichern die Sofortreaktion, und das kommt dem Personen- und Sachwertschutz entgegen.

Maske: Ein optimaler Kreislauf. Wichtig ist auch die Konsequenz, mit der die Brandschützer bei Volkswagen ihre Anlagen und besonders auch die Brandmeldetechnik prüfen und warten.

Hardt: Schon in die ersten Planungen für den Bau neuer Gebäude oder für Umbauten sind alle Fachgewerke, zum Beispiel die Brandschutzplanung, involviert, um die erforderlichen Sicherheitsstandards einzuplanen und umzusetzen.

Maske: Die Leistungen von Volkswagen im Brandschutz und ganz speziell auch für den Schutz ihrer Mitarbeiter kann man wirklich nur lobend hervorheben. Volkswagen verfolgt seit vielen Jahren konsequent ein hohes Qualitätsniveau: vom VdS-geprüften und -anerkannten Einzelbauteil über VdS-geprüfte und -anerkannte Systeme, verbaut und gewartet durch VdS-zugelassene Errichterfirmen. Das garantiert, dass Brandschutztechnik wirklich zuverlässig helfen kann, wenn es darauf ankommt.Hardt: Das VdS-Siegel ist ein sehr wichtiges Qualitätsmerkmal. Wir haben auch international die Erfahrung gemacht, dass die verschiedensten Feuerbetriebsversicherer sehr auf das VdS-Zertifikat achten.

Maske: Wenn ich das in diesem Zusammenhang erwähnen darf: VdS-zertifizierte RWA werden von Versicherern übrigens regelmäßig in ihre versicherungstechnische Bewertung aufgenommen. In Mexiko haben wir beispielsweise alle Volkswagen-Brandschutzsysteme geprüft, weil dort momentan weder anerkannte Errichter tätig sind, noch überhaupt Regelwerke existieren. Deshalb interessierte die Verantwortlichen natürlich, ob sie sich im Ernstfall wirklich auf ihre Anlagen verlassen können.

PROTECTOR: Sicherheit kostet Geld. Immer wieder gibt es Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitsverantwortlichen und den Einsparern in den Finanzabteilungen. Wie überzeugen Sie Ihre Kollegen, erhebliche Summen in den Brandschutz zu investieren?

Hardt: Investitionen in den Brandschutz sind wichtige Investitionen in die Zukunft. Natürlich sind bei der Planung auch immer die Kosten wichtig. Unsere Maßnahmen müssen daher bezahlbar sein, bedarfsgerecht und risikobezogen.

Maske: Da stimme ich Herrn Hardt zu. Ein Leitmotto im Brandschutz heißt: Billig ist teuer. Ich habe bei anderen Unternehmen oft erlebt, dass Sicherheitsverantwortliche auch gegen ihre eigene Überzeugung billige Anlagen einbauen mussten. Schnell stehen diese Unternehmen nach einem Brandfall, den eine vermeintlich preiswerte Anlage nicht löschen und nicht einmal begrenzen konnte, am Rand der Insolvenz. Firmenlenker, die so etwas erlebt haben, gehen dann eigentlich immer auf Nummer Sicher und schützen sich mit VdS-zertifizierten Brandschutzsystemen. Besonders bedenklich hinsichtlich der Kosten finde ich, dass aktuell Prüfungen entsprechend den Anforderungen DIN EN 12101-2 NRWG (natürliche Rauch- und Wärmeabzugsgeräte) angeboten werden, die den bisherigen Sicherheitsstandard nach DIN 18232-3 beziehungsweise VdS 2159 bei weitem nicht erfüllen. Das macht den Brandschutz natürlich kurzfristig günstiger. Aber eben nicht mehr sicher. Der Abbrand einer in Reihe geschalteten Fertigungshalle kann zum längeren Ausfall einer gesamten Produktionskette führen, da ja nicht alle Funktionen redundant ausgelegt werden können. Das ist dann, wenn Kunden abwandern, der Gau für viele Unternehmen.

Hardt: Bei uns wurden in den letzten Jahren die Investitionsmöglichkeiten für den Bereich Brandschutz deutlich erhöht, weil den Controllern auch anhand der zahlreichen Vorkommnisse in der Industrie klargeworden ist, wie wichtig Sicherheit ist.Außerdem bietet anspruchsvolle Brandschutztechnik ja noch weitere Vorteile, die gar nichts mit der Feuerbekämpfung zu tun haben. Unsere Anlagen stellen auch die tägliche Be- und Entlüftung der Produktionshallen sicher. Und während der besonders heißen Tage im Frühsommer 2010 stand einmal die Kühlung in unserer Halle für die Fertigung von Kunststoffteilen kurz vor dem Kollaps. Das hätte für die gesamte Produktionshalle die Abschaltung aller Geräte bedeutet. Hier konnten nur noch die RWA, die auch für die ganz alltägliche Lüftung genutzt werden können, die Halle wieder kühlen. Unsere RWA trugen so entscheidend dazu bei, den kontinuierlichen und optimalen Produktionsfluss zu sichern.

Maske: RWA minimieren nicht nur Brandschäden. Sie stellen unter anderem auch wirksame Löscharbeiten sicher und ermöglichen auch eine frühzeitige Abfuhr aller Arten von toxischen Gasen. Das ist nicht nur wichtig für die Gesundheit der Mitarbeiter, sondern auch im Sachwertschutz. Betroffene Anlagen werden so nicht kontaminiert, was häufig eine tagelange Stilllegung bedingt. RWA verhindern auch den gefürchteten Flash-over-Effekt durch ihre frühzeitige Wärmeabfuhr.

Hardt: Grundsatz aller Brandschutzmaßnahmen bei Volkswagen ist, dass die Produktion so schnell wie möglich wieder anfahren kann. Danach richten wir die Brandschutztechnik aus. Auch das ist übrigens ein Argument, das die Entscheider in den Finanzabteilungen zu Recht sehr gut überzeugt.

Maske: Ich sehe den Systemgedanken, den Volkswagen verfolgt, als entscheidenden Erfolgsfaktor für die Minimierung von Brandschäden und die schnellstmögliche Wiederaufnahme der Produktion. Ein Beitrag zum Erreichen dieses hohen Zieles ist die Verwendung VdS-geprüfter und -anerkannter Technik, eingesetzt in ein nach VdS-Richtlinien auf Kompatibilität geprüftes Rauch- und Wärmeabzugssystem, eingebaut und gewartet durch eine VdS-anerkannte Errichterfirma. Das garantiert eine sichere Anti-Feuer-Komplettlösung aus einer Hand.

Hardt: Der Systemgedanke von VdS durch die Einbeziehung von Errichterfirmen ist wichtig, das kann ich nur bestätigen. Was nutzt die beste Anlage, wenn sie nicht korrekt läuft?

PROTECTOR: Wie kam es zur Zusammenarbeit von Volkswagen und VdS Schadenverhütung?

Hardt: Unser erster Kontakt kam zustande, weil wir 2004 ein paar Probleme mit der Euronorm hatten. Ich kontaktierte VdS bezüglich der Unterschiede zwischen CE und VdS. Dieter Maske war hier sozusagen mein Lehrmeister.

Maske: Ich profitierte ja nur vom gesammelten Wissen meiner Kollegen im Bereich Rauch- und Wärmeabzugsanlagen. Zum Beispiel erschienen bereits 1973, elf Jahre vor Herausgabe der ersten Fassung der DIN 18232-2, die Richtlinien VdS 2002, die sich schon mit dem Thema „Sicherer Rauch- und Wärmeabzug“ befassten.

Hardt: Nach den Gesprächen besuchte ich einige Schulungen, wie zum Beispiel bei der IHK-Koblenz, Geräteschulungen bei VdS-zertifizierten Errichterfirmen und des VdS-Bildungszentrums in Köln. Wir haben festgestellt, dass unsere internen RWA-Vorgaben der aktuellen DIN angepasst werden mussten. Weiterhin waren unsere Vorgaben sehr produktbezogen, so dass wir sehr eingeschränkt bezüglich der Dienstleistungen von Errichterfirmen waren. Auf Grundlage der VdS-Richtlinien und der DIN wurden die RWA-Brandschutznormen von Volkswagen überarbeitet, indem wir klare, eindeutige, neutrale Vorgaben erarbeitet haben. Somit können Ausschreibungen gestaltet werden, an denen jeder, der die Vorgaben einhält, sich beteiligen kann. Entscheidend war für uns auch die Neutralität von VdS. Qualitätssiegel, die sich die Errichter gegenseitig verleihen, konnten uns nicht überzeugen. Jetzt ist VdS der konzernweite Standard für den RWA-Brandschutz von Volkswagen.

PROTECTOR: Wie kam das?

Hardt: Gemäß unserem Leitspruch, dass die Produktion nach einem Brandfall so schnell wie möglich wieder anfahren können muss, legen wir größten Wert auf Sicherheit und Zuverlässigkeit. Vom Bauteil bis zum Errichter, aber auch bezüglich der Mindestanforderung an die verschiedenen Brandschutzklassen. Die umfassende Qualität der VdS-Dienstleistungen hat uns hier überzeugt.

Maske: Die Entscheider bei Volkswagen schätzen, dass wir durch über hundert Jahre gesammeltes Wissen über die nötige Kompetenz im hochkomplexen Feld Brandschutz verfügen.

PROTECTOR: Bekannt sind ja die Debatten im Markt um den Unterschied zwischen der EN 12101-2 und dem VdS-Siegel. Wie ist Ihre Meinung zum Thema, Herr Maske?

Maske: Die Erstellung einer europäischen Norm ist als Bürokratie von zig Delegierten natürlich schwerfällig. Es ist eine aus zahlreichen Länder-, Institutions-, Lobby- und Einzelinteressen zusammengewürfelte Norm auf dem untersten Minimum. Sie wissen aus eigener Erfahrung, was herauskommt, wenn eine Masse von Delegierten aus verschiedenen Ländern und Kulturen sich auf etwas einigen sollen. Wir fragen unsere Kunden immer: Wollen Sie bei der Sicherheit Kompromisse eingehen? Das VdS-Qualitätssiegel dagegen steht weltweit dafür, dass Brandschutz und allgemein Sicherheitsprodukte und -Dienstleistungen auch wirklich zuverlässig funktionieren und Werte sowie Menschenleben retten.

PROTECTOR: Ganz konkret wird im Brandschutzmarkt gerade die Situation nach Ablösung der DIN 18232-3 durch die DIN EN 12101-2 kontrovers diskutiert…

Maske: Die DIN EN 120101-2 ist seit September 2006 verpflichtend und ist die Voraussetzung für den freien Warenverkehr. Sie befindet sich seit Herausgabe schon wieder in Überarbeitung und wird in neuer Form wahrscheinlich dieses Jahr veröffentlich werden. Mit Herausgabe der DIN EN 12101-2 wurden die in der DIN 18232-2 verbindlichen Qualitätsstandards zum Teil variabel gestaltet. Es wurden Klassen eingeführt, die vom Hersteller frei festgelegt werden können. So können je nach Wahl die bisherigen Qualitätsstandards weit unterschritten werden. Es besteht das Risiko, dass jetzt ganz offiziell EN-Anlagen zum Einsatz kommen, die zwar kostengünstiger, aber sicherheitstechnisch unzulänglich sind.

VdS dagegen hat, um das bisherige Sicherheitsniveau halten zu können, in Abstimmung mit dem FVLR (Fachverband Tageslicht und Rauchschutz e.V.) Mindestanforderungen an die natürlichen Rauch- und Wärmeabzugsgeräte als Grundlage einer VdS-Systemzulassung festgelegt, die das gewohnte Qualitätsniveau sicherstellen. Besonders betonen möchte ich die:

  • RE 50 – Mindestanforderung an die Funktionssicherheit,
  • SL 500 – Mindestanforderung an die Schneelastklasse,
  • WL 1500 – Mindestanforderung an die Windlast,
  • B 300 – Mindestanforderung an die Wärmebeständigkeit und
  • T (-05) – Mindestanforderung an die Funktionssicherheit unter Temperatureinfluss.

 Ein konkretes Beispiel: Zurzeit werden NRWG in der Klasse T (00) zugelassen. Das heißt, diese Geräte wurden keiner Funktionsprüfung bei null Grad Celsius unterzogen, sondern nur unter den bei der Produktprüfung aktuell herrschenden Temperaturverhältnissen geprüft. Dies können im Sommer auch schon einmal 25 Grad Celsius oder mehr sein. Unter Berücksichtigung des hohen Einflusses der Temperatur auf das zur Öffnung des NRWG eingesetzten Druckgases – das ist meist C02 – kann man hier nicht von einer sicheren Anlage sprechen. VdS-geprüfte Rauch- und Wärmeabzugsgeräte werden vollständig in einer Klimakammer unter Simulation von Schneelast sowie Windlast auf einwandfreie Funktion unter verschiedensten Temperaturbedingungen überprüft. Übrigens werden nach VdS unter anderem auch die Antriebe verschiedenen Umweltprüfungen unterzogen, was entsprechend DIN EN 12101-2 nicht gefordert wird. Und die Möglichkeit, später Änderungen am Gerät durchzuführen, ist von vornherein geregelt, was zu Planungssicherheit und Kostenreduktion führt.

PROTECTOR: In Fachkreisen hört man immer wieder von dem sogenannten „Schokoladen-NRWG“. Was hat es damit auf sich?

Hardt: Es ist derzeit möglich, ein NRWG in den Klassen T(00), Re A, WL A, SL A, B A und so weiter zu kreieren. „A“ bedeutet in diesen Fällen die völlig freie Auswahl der Klasse. In Fachkreisen wird dieses Produkt deshalb „Schokoladen-NRWG“ genannt, da man es bei entsprechender Klassenauswahl rein theoretisch aus Schokolade herstellen könnte. Mit einem NRWG aus Schokolade wird es allerdings schwierig, den Eine-Stunde-Benchmark von Volkswagen sicherzustellen.

Maske: Diese Problematik wird unter anderem auch in der Überarbeitung der neuen EN 12101-2 berücksichtigt. Bei uns dagegen dürfen zusätzlich zu vorgenannten Mindestanforderungen an die Klassen nur VdS-geprüfte und -anerkannte Einzelbauteile zum Einsatz kommen, das System wird zusätzlich nach den Richtlinien VdS 2159 (pneumatische Systeme) beziehungsweise VdS 2594 (elektrische Systeme) geprüft und zertifiziert. Hierbei steht der Systemgedanke – dass ein System maximal so gut ist wie sein schwächstes Bauteil – immer im Vordergrund. Denn es ist das schwächste Bauteil, dem Menschen ihre Sicherheit anvertrauen müssen. Gerade unter diesem Aspekt habe ich meine Probleme mit der aktuellen EN.

PROTECTOR: Wie sehen Sie die weiteren Entwicklungen auf diesem Gebiet?

Maske: Die Normenreihe EN 12101 wird zurzeit überarbeitet und folgt aktuell dem Gedanken der Bauteilprüfung, den VdS schon seit Jahrzehnten eingeführt hat. Die DIN EN 12101-10 (Energieversorgungseinrichtungen) wurde bereits veröffentlicht und die pr EN 12101-9 (Steuertafeln) befindet sich momentan im Umfrageverfahren, so dass man wohl 2011 mit der Veröffentlichung rechnen kann. Generell sind die in vorgenannten Normen enthaltenen Prüfverfahren nahezu identisch mit denen der entsprechenden VdS-Richtlinien, so dass nur ein geringer prüfungstechnischer Mehraufwand im Rahmen eines VdS-Anerkennungsverfahren berücksichtigt werden muss. Leider wurden bei der aktuell laufenden Überarbeitung der DIN EN 12101-2 keine Anforderungen an die sichere Funktion der Antriebe bei unterschiedlichen Umweltbedingungen, wie Korrosion oder EMV, aufgenommen, obwohl VdS dies als unbedingt notwendig erachtet. Daher werden wir auch in Zukunft die Antriebe entsprechend den Anforderungen der VdS-Richtlinien VdS 2580 (elektrisch, mechanisch) beziehungsweise VdS 2583 (pneumatisch) prüfen und anerkennen.

Hardt: Wie schon erwähnt, sehe ich den neutralen Brandschutz-Zertifizierer VdS als sehr kompetenten, kooperativen Partner an. Die VdS-Richtlinien geben meinen Kollegen von vornherein eine gewisse Planungssicherheit. Ohne die konkreten Richtlinien des VdS und unsere Volkswagen-internen Vorgaben wäre es sehr schwer, durch die EN 12101 durchzusteigen. Wir haben innerhalb der Volkswagen Service Factory in Zusammenarbeit mit den unterschiedlichsten Bereichen, wie zum Beispiel Konzernsicherheit, Brandschutz aus verschiedenen Standorten und dem Einkauf, eine Vorgabe geschaffen, die als roter Faden jedem RWA-Planer bei Volkswagen zur Verfügung steht. Wir vom Facility Management Gebäudemechanik der Service Factory haben am Standort Wolfsburg die Betreiberfunktion übernommen und sind verantwortlich für die Planung, Bauleitung, Abnahme und Wartung. Wir haben mittlerweile Anfragen aus den verschiedensten Werken aus unserem Konzern. Ich beschäftige mich seit Jahren mit der RWA-Technik, so dass unser Team mittlerweile komplette Projekte selbst durchführt – nicht nur am Standort Wolfsburg, sondern zum Beispiel auch am Standort Braunschweig, wo durch uns die Halle 7 des Werkzeugbaus modernisiert wurde. Von der Planung bis hin zur Übergabe an den Betreiber vor Ort erfolgten alle Arbeiten aus einer Hand. Wie auch die EN immer wieder geändert wird, so müssen auch wir uns immer wieder den Gegebenheiten anpassen. Wir bei Volkswagen sind uns dieser Verantwortung bewusst.

Text: Protector 02/2011
Fotos: VW, VdS

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