Pressetext in der HLH Bd. 61 Nr. 10 Klimakonzept

Auf dem achten Längengrad Ost

Das im Juni 2009 eröffnete Klimahaus in Bremerhaven schickt seine Besucher entlang des 8° Längengrades Ost auf eine Klimareise. Dabei greift die Wissens- und Erlebniswelt ein hochaktuelles und bewegendes Thema unserer Zeit auf und rückt die anspruchsvollen wie erlebnisreichen Besucherattraktionen in den Mittelpunkt. Man muss kein Weltreisender oder Polarforscher mehr sein, um zu erfahren, wie Klima entsteht oder wie unser Klima funktioniert, denn mit einer Ausstellungsfläche von 11 500 m2 gehört das Klimahaus in Bremerhaven zu den derzeit größten wissensbasierten Freizeitangeboten in Europa. Dabei können die Besucher bei einer simulierten „Reise“ um die Welt authentische Eindrücke von Gletscher-, Wüsten- und Unterwasserwelten auf 4800 m2 sammeln. In den nach Originalschauplätzen gestalteten Kulissen lernen sie die unterschiedlichsten Klimazonen der Welt begreifen – durch intelligente Klimatisierung, Beregnung oder Vereisung sowie typische Gerüche und Geräusche. In diesem Bereich sind Temperaturen von -6 oe bis +35 oe gefordert, denn Stationen sind beispielsweise die Antarktis, die schwindenden Gletscher der Schweiz, ein Saumliff aus lebenden Korallen und exotischen Fischen sowie der Niger mit seiner trockenen Hitze. Dabei verschlingt das Klimahaus eine Menge Energie. Damit es nicht selbst zum Klimakiller wurde, standen schon bei der Planung und Errichtung des GebäudesNachhaltigkeit und ein möglichst C02-neutrales Energiekonzept im Vordergrund.


Klimahülle

Für den Entwurf des im Grundriss 125 m x 85 m und 27 m in der Höhe betragenen Gebäudes  zeichnen die  Planer des Architekturbüros Klump Architekten Stadtplaner Agn Paul Niederberghaus & Partner GmbH verantwortlich. Dabei besteht das Museum eigentlich aus zwei voneinander getrennten Baukörpern: den Inneren des Gebäudes aus Massivbauweise (Ortbeton) und die gläserne, insgesamt ca. 8 000 m2 umfassende Außenhülle. Sie besteht aus einer ca. 1 200 t schweren Stahlkonstruktion, die das Fassadenglas aufnimmt. Die Planer der Transsolar Energietechnik GmbH mussten dabei nicht nur die geforderten Raumklimabedingungen, sondern auch eine gute Frischluftqualität gewährleisten und entwickelten ein integrales und Gewerke übergreifendes Gesamtkonzept aus Gebäude-, Heizungs- und Klimatechnik, das darauf abzielt, alle Gebäudeteile möglichst einfach und effizient für die Klimatisierung zu erschließen. Die schuppen artige VSG-Verglasung der äußeren Hülle mit zugehöriger Unterkonstruktion sowie die Trapezprofilkonstruktion des Daches wurden von Roschmann aus Gersthofen/BW umgesetzt. Die Frischluftversorgung für die bis zu 5 000 täglichen Besuchern wird über mechanische Lüftungsanlagen in der Fassade gesteuert, in der die zur Entrauchung erforderlichen Lüftungsklappen automatisch geöffnet werden.

Frische Brise

Gerade im Sommer muss der gläserne Fassadenzwischenraum wirkungsvoll mit Außenluft durchspült werden, um die Aufheizung der Luft vor Eintritt in den Raum zu minimieren. Im Winter dagegen sind die Wärmegewinne aus der Fassade willkommen und dienen zur Vorerwärmung der Frischluft. Die warme Luft strömt in diesen Bereichen auf natürliche Weise über offene Lufträume frei nach oben ab, was den Aufwand für Lüftungskanäle und Lufttransport erheblich reduziert. Im Gebäudeinneren verweigert sich die Struktur des Klimahauses in weiten Teilen klassischen Architekturbegriffen wie Geschossebene, Wand und Decke. Alles, was räumlich unterhalb des „Äquators“ liegt, wird durch Nachströmöffnungen für RWA und zugleich Lüftung geregelt. Alles, was räumlich über der Äquatorlinie liegt, ist nur RWA und Lüftung angebunden. 

Alle Fenster liegen außerhalb des Eingriffbereiches, also oberhalb 2,5 m, was die Montage der Antriebstechnik erschwerte

Dieser Aufgabe stellten sich die Techniker von STG-Beikirch, ein Herstellerfür Steuerungs- und Antriebssysteme. Dabei ermittelten die Techniker während der Projektierung für jedes einzelne Fenster  die genaue physikalische Platzierung, um eine möglichst geringe Verwindung der Kette zu bewirken. Eine weitere Besonderheit der Projektentwicklung für die ausgefeilte Antliebstechnik bestand in der Herausforderung, eine Antriebsfunktion zu gewährleisten, die die verschiedenen Anschläge der Bänder aufnimmt (in eine vertikale und außerdem in eine leicht schiefe Bewegung) und sich dazu in zwei Achsen bewegen muss. Diese Bauaufgabe lösten die Lemgoer unter Zuhilfenahme von abgewandelten robusten Standard-Antriebsystemen. Eingebaut wurden an RWA-Flügel sowie Nachströmöffnungen und Lüftungsflügel insgesamt 23 Kettenantriebe der Baureihe EM-Tandem- AC an rahmenlose Glasflügel mit besonderen Punkthaltern am Glas sowie 90 Kettenantriebe der Baureihe FM-Tandem in Sonderausführung AC. Die Sonderausführung der FM-Tandem-Antriebe bestand insbesondere darin, die 230 V Vorschalteinheiten in das Motorgehäuse zu integrieren und eine Anpassung der Elektronik vorzunehmen. Darüber hinaus sind insgesamt fünf Steuerungen in 230 V für die Außenfassade und drei Steuerungen für die Lamellenfassade mit Fremdantrieben ausgerüstet worden.

Die insgesamt 113 RWA-Flügel sowie Nachströmöffnungen und Lüftungsflügel in unterschiedlichen geometrischen Formen 
sind mit abgewandelten robusten Standard-Tandem-Antrieben der Baureihen EM-AC und FM- in Sonderausführung AC von STG-Beikirch ausgestattet

 Des Weiteren sorgen Gebläsekonvektoren aus dem Hause GEA Lufttechnik dafür, dass die Besucher des Klimahaus Bremerhaven 8° Ost das Klima der verschiedenen Regionen am eigenen Leib erleben, denn in Zusammenarbeit mit der Axima Deutschland, die als Ausführungsunternehmen die Lüftungs-und Kältetechnik im BremerhavenerKlimahaus realisierten, wurden 31 GEA Power-Gekos und sieben FlexGekos installiert. Aktive Kühl- und Heizsysteme Aufgrund seiner Nutzung benötigt das Gebäude permanent Kühlenergie und übertrifft damit den Heizwärmebedarf. Daher sollten denn auch Vorrangig am Standort vorhandene natürliche Ressourcen und Umweltenergien direkt eingesetzt  werden, wo immer dies möglich ist. Da die Bereitstellung konventionell erzeugter Kälteenergie ca. 3 x höhere Betriebskosten als die Wärmeenergieber reitstellung erfordert, wird ein Teil der Klimageräte innerhalb der Technikzentralen des Gebäudes als Desiccant Cooling System (DCS) CO2- frei über den Energieträger Fernwärme erzeugt. Entsprechend der energetischen Vorplanung, soll bei einer maximalen Kälteleistung von 300 kW mehr als 100 MWh/a an Kälteenergie bereitgestellt werden. So basiert das Gros der Kälteerzeugung auf Nutzung erneuerbarer Energie bestehend aus der Ausnutzung der Außenluftenthalpie (freie Kühlung) , der Nachtauskühlung für die RLT-Technik sowie aus der freien Rückkühlung und Nutzung der oberflächennahen Geothermie (Energiepfähle). Hierzu ist ein Teil des Tragwerks des Gebäudes als Energiepfahlfeld ausgeführt, das eine Spitzenkühlleistung  von 270 kW leistet. Ein weiterer Bereich ist die Betonkernaktivierung, mit der die Speicherfähigkeit der massiven Geschossdecken zur Regulierung der Raumtemperatur genutzt wird. Beide Systeme speisen eine Verteilung mit vier Klimakaltwasserkreisläufen.

49 Pumpen und Pumpensysteme von Wilo sorgen mit geringstmöglichem Stromverbrauch für perfekte Rahmenbedingungen in jederKlimazone

 Einer von ihnen dient der Betonkernaktivierung und wird von einer „Wilo-CronoLine-IL 32/150-2,2/2″Niederdruck-Kreiselpumpe versorgt . An die drei weiteren Kreisläufe sind als Verbraucher Umluftkühlgeräte, Kühldecken oder die Fußbodenkühlung im Foyer angeschlossen. Da hier wechselnde Betriebsbedingungen herrschen, wurden elektronisch geregelte Trockenläuferpumpen und eine Doppelpumpe eingebaut. Außerdem wird die Absorptionskälte für die gesamte Kühlung der Aquarien aus einem Teil der Fernwärmeumwandlung genutzt. Die Wärmeenergie für das Gebäude wird über Energiepfähle sowie durch Ausnutzung der CO2-freien Energieressourcen aus oberflächennaher Geothermie und der Abwärme der Kälteerzeugung bereitgestellt. Ein Teil der Wärme wird als Fernwärme aus dem Bremerhavener Müllheizkraftwerk geliefert. Um auch bei der Wärmeverteilung einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, kommen hier ausschließlich elektronisch geregelte Trockenläuferpumpen und Hocheffi zienzpumpen zum Einsatz. Diese Pumpen passen ihre Drehzahl den wechselnden Lastbedingungen der Anlage bzw. des jeweiligen Heizkreises an, so dass sie bedeutend weniger Strom als ungeregelte Pumpen verbrauchen. So können Energieeinsparungen von bis zu 80% erzielt werden.

Text : HLH Oktober 2010 REY Bilder: WILO, STG-BEIKIRCH

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