Fachartikel aus W&S 06/2011- Brandschutz am Stuttgarter Flughafen

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Von Jahr zu Jahr wächst das internationale Verkehrsaufkommen und damit auch die Passagierzahl, die an Flughäfen abgefertigt wird. Diese wachsenden Zahlen bedeuten gleichzeitig höhere Anforderungen an die Kapazitäten und damit letztendlich an die Sicherheit.

Die Flughafenfeuerwehr muss dabei eine Vielzahl an Aufgaben bewältigen: vom Gebäudebrandschutz bis hin zu Rettungseinsätzen bei Flugzeugbränden oder auch Großschadens-ereignissen. Der Flughafen Stuttgart ist gemessen am Passagieraufkommen derzeit der siebtgrößte Airport in Deutschland. Pro Tag starten und landen etwa 400 Maschinen. Die vier Terminals dienen nicht nur der Abfertigung der Flugreisenden, sondern beherbergen auf rund 5.900 Quadratmetern zahlreiche Shops, zu denen noch einmal 4.500 Quadratmeter an Gastronomiefläche hinzu kommen. Zu Spitzenzeiten halten sich hier bis zu 25.000 Menschen über den Tag verteilt in den Terminals auf. Im Jahr 2010 lag das Fluggastaufkommen bei etwa 9,23 Millionen Passagieren und 21.069 Tonnen Luftfracht.
Der vorbeugende Brandschutz sowie das Notfall- und Krisenmanagement ist seit dem Brand auf dem Düsseldorfer Flughafen 1996, aber auch aufgrund anderer Großschadensereignisse kontinuierlich weiter entwickelt und angepasst worden. Bei der Konzeptionierung ist die Flughafenfeuerwehr auf das Zusammenwirken aller beteiligten Kräfte, auch der externen wie Bundes- und Landespolizei, dem Zoll sowie Rettungskräfte angewiesen. „Insgesamt sind wir über 120 Schnittstellen mit anderen Diensten für den Bereich Notfall- und Krisenmanagement verbunden, die polizeiliche Gefahrenabwehr nicht mitgerechnet“, so Andreas Rudlof, Leiter der Flughafenfeuerwehr Stuttgart. Um alle eingebundenen Kräfte optimal zu koordinieren, sind vor allem Notfallübungen und das Durchspielen von Szenarios, wie sie die International Civil Aviation Organization (ICAO) vorschreibt, unerlässlich.

Umfassende Meldesysteme

Zu den Hauptverkehrszeiten befinden sich zwischen 2.500 und 3.000 Personen in den Terminals eins bis vier. Zur Alarmierung im Brandfall stehen eine Vielzahl unterschiedlicher Systeme zur Verfügung. Insgesamt sind auf dem Flughafengelände einschließlich der Hallen und Gepäckabfertigungsanlagen und unterirdischen Versorgungskanälen rund 14.000 Brandmelder installiert. Hinzu kommen über 100 Wandhydranten und 1.600 tragbare Feuerlöscher, sich selbst schließende Brandschutztore sowie eine ereignisgesteuerte Rauch- und Wärmeabzugsanlage (RWA). Mittels einer Einzelmeldererkennung lässt sich anhand der digitalen Karten des geografischen Informationssystems der Auslöseort genau und schnell bestimmen. „Jeder Meldealarm wird ernst genommen und bearbeitet, auch wenn die Wahrscheinlichkeit eines Fehlalarms bei Auslösung nur eines einzelnen Melders recht hoch ist“, erläutert Rudlof.

Bei so verschiedenen Gebäudekomplexen mit ganz unterschiedlichen Funktionsbereichen ist auch eine entsprechend breit aufgestellte Varianz an Meldern im Einsatz. Neben den klassischen Rauchmeldern gibt es auch in einigen Abschnitten Rauchansaugsysteme sowie thermische beziehungsweise infrarot auslösende, etwa in den Abschnitten der Gastronomie. Ferner sind auch alle acht Kilometer an unterirdischen Versorgungskanälen und die IT-Bereiche mit Brandmeldern gesichert, da diese für die Versorgung des Flughafens mit Strom, Wasser und der IT-Anbindung besonders wichtig sind.

Ständige Kontrolle

Ein wesentlicher Aspekt beim vorbeugenden Brandschutz ist der Umgang mit Fremdfirmen und den Nutzern der Gewerbeflächen. Brände entstehen zum überwiegenden Teil durch menschliches Fehlverhalten. Um dieses zu minimieren, ist ein Mitarbeiter für die Brandverhütung zuständig; er begeht regelmäßig das Flughafengelände, um Mängel wie zugestellte Notausgänge und Rettungswege, festgestellte Brandschutztüren und ähnliches zu protokollieren und die Verantwortlichen darauf hinzuweisen mit der Maßgabe, die Mängel unverzüglich abzustellen.

Fremdfirmen, die Heißarbeiten mit dem Schweißbrenner oder Lötkolben durchführen, benötigen ein spezielles Formular, das ihnen die Arbeit unter Brandschutzauflagen genehmigt. Auch hier überprüft ein Kollegen der Feuerwehr regelmäßig, ob auch alle Auflagen wie das Bereitstellen von Feuerlöschern, Löschdecken und ähnliches, erfüllt sind. Nur dann können einzelne Melder in den angezeigten Bereichen für die Dauer der Arbeiten von der Brandmeldeanlage (BMA) getrennt werden.

Rasche Entfluchtung und Hilfe

Im Evakuierungsfall müssen die Passagiere schnellstmöglich die Terminals verlassen. Hierzu verfügt der Flughafen über ausgebildete Räumungshelfer, die sich zum Teil aus dem Flughafenpersonal und dem der Fluggesellschaften rekrutieren. Kräfte der Landes- und der Bundespolizei sowie Mitarbeiter vom Zoll sind ebenfalls beteiligt. In einem weiteren Schritt sollen zudem noch Mitarbeiter der zahlreichen Geschäfte auf dem Flughafen als Räumungshelfer ausgebildet werden. Die große Anzahl an Helfern ist alleine schon deshalb nötig, damit diese bei einem so weitläufigen Ort alle Räumlichkeiten rasch durchsuchen und Personen nach draußen bringen können.

Ob der gesamte Terminalbereich oder nur einzelne Abschnitte geräumt werden, hängt dabei von der jeweiligen Situation ab. Bei der Räumung gilt, dass alle Passagiere, die noch nicht die Sicherheitsschleusen passiert haben, landwärts evakuiert werden und diejenigen, die den Check-in durchlaufen haben, luftseitig Richtung Flugvorfeld in Sicherheit gebracht werden. Von dort eingerichteten Sammelstellen bringen Busse anschließend die Passagiere zügig aus dem Flugsicherheitsbereich.

Zeit ist bei allen Maßnahmen ein kritischer Faktor. Daher sind beispielsweise im Falle eines Gebäudebrandes und bei technischen Hilfeleistungen strenge Vorgaben hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Feuerwehr einzuhalten. Bei Notfällen in den Terminalhallen oder anderen Gebäuden gilt die gesetzlich geregelte Hilfsfrist, die in Baden-Württemberg vom Eingang der Notfallmeldung in der Rettungsleitstelle bis zum Eintreffen der Hilfe am Notfallort maximal 15 Minuten betragen darf.

Besondere Anforderungen gelten auch für den Rettungsdienst, denn gemäß den Bestimmungen der der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Stuttgart einer von bundesweit 16 Sanitätsflughäfen. 14 Mitarbeiter sind daher zum Rettungsassistenten und staatlich geprüften Desinfektor ausgebildet. Letzteres ist vor allem bei einem Seuchenalarm wichtig. In diesem Fall wird das betroffene Flugzeug auf eine entlegene Abstellposition geleitet, und die Passagiere und Besatzung werden anschließend von einem Seuchenmediziner untersucht. Dieser entscheidet, ob betroffene Personen auf eine Isolierstation kommen, die auf dem Gelände zur Verfügung steht.

Umfangreiche Aufgaben

Bei der Flughafenfeuerwehr Stuttgart sind zurzeit 76 Feuerwehrangehörige als hauptamtliche Kräfte beschäftigt, die alle analog zu den Richtlinien der Berufsfeuerwehr ausgebildet sind. Die Mitarbeiter versehen ihren Dienst in zwei 24-Stunden-Schichten zu je 19 Mann, die sich gegenseitig ablösen und im Ernstfall als erstes Einsatzelement ausrücken, bevor gegebenenfalls weitere Verstärkung, auch aus dem Umland, eintrifft. Hauptaufgabe der Einsatzkräfte ist dabei das Sicherstellen des Flugzeugbrandschutzes nach geltenden ICAO-Richtlinien für die Kategorie 10.

Ferner ist die Feuerwehr für den Gebäudebrandschutz und technische Hilfeleistung für den gesamten Flughafenbereich als anerkannte Werkfeuerwehr gemäß Paragraf 19 des Feuerwehrgesetzes (FwG) von Baden-Württemberg verantwortlich. Neben der Gewährleistung des Brandschutzes ist die Feuerwehr auch für eine ganze Anzahl weiterer Ereignisse zuständig, etwa bei Flugzeugunfällen wie beispielsweise auslaufender Kraftstoff, Flugzeugbergung oder bei Einsätzen mit Gefahrgut. Auch andere Fachabteilungen und externe Auftraggeber können bei Bedarf auf die Kollegen und ihre Ausrüstung zurückgreifen, sollten es die Umstände erfordern. Mit dem Aircraft Recovery Training Center unterhält die Flughafenfeuerwehr schließlich eine internationale Ausbildungsstätte für Flugzeugbergecrews und bildet auch andere Feuerwehren und Rettungsdienste aus, etwa beim Atemschutz.

 

 

Text: Hendrick Lehmann
Bild: Flughafenfeuerwehr Stuttgart

 

 

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